Es ist spät geworden an diesem Dienstag den 27.06.2023. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen und wir wollen heute noch nach Dessau (EDAD) fliegen und von dort morgen weiter nach Anklam (EDCA), dann über die Ostsee zum Tankstopp nach Västervik (ESSW) und dann weiter zu unserem Endziel Norrtälje/Roslagen (ESSN).

Während der Süden Deutschlands unter drückend schwüler Hitze leidet, herrschen in Schweden angenehm trockene 27° Celsius und so haben wir uns für Schweden als Reiseziel entschieden. Norrtälje/Roslagen ist ein kleiner Vereinsplatz am nordöstlichen Ende des Stockholmer Schärengartens. Der Stockholmer Schärengarten ist die größte Inselgruppe in Schweden und die zweitgrößte Inselgruppe der Ostsee. Elektronische Karten für Schweden stellt Skydemon kostenlos bereit, wobei wir uns als Backup für Papierkarten von Rogers Data entschieden haben, welche dank Expressversand auch gerade noch rechtzeitig ankommen. Flugplanaufgabe und NOTAM Briefing erledigen wir ebenfalls mit Skydemon. Das Flugwetter in Schweden checken wir auf der kostenlosen Webseite Northavimet, einer Webseite des Dänischen Meteorologischen Institutes, welches Flugwetterinformationen für Schweden, Dänemark und Finnland kostenlos zur Verfügung stellt. Auf dem Weg nach Dessau sind einige kleinere Schauer zu umfliegen und nach 02:13 landen wir um 19:35 lokal in Dessau in leichtem Regen. Der Türmer in Dessau will pünktlich um 20:00 Uhr nach Hause und da wir das Flugplatzgelände ohne ihn nicht verlassen können, müssen wir uns mit dem Ausladen unseres Gepäckes und dem Verzurren der Aquila ganz schön beeilen. Ein Taxi fährt uns danach in unser Hotel, wo wir zwar nass, aber auch glücklich darüber ankommen, dass wir endlich unterwegs sind.

Am Morgen des 28.06. haben sich die Reste der gestrigen Schauer verzogen und wir starten um 08:50 zu unserem Flug über die Mecklenburger Seenplatte nach Anklam, der Geburtsstadt des deutschen Flugpioniers Otto Lilienthal.

In Anklam werden wir von der Türmerin am Funk nett empfangen und rollen direkt auf die Mogas Tankstelle zu, welche sich außerhalb des Flugplatzes in einem Industriegebiet befindet. Um dort zu tanken wird der Flugplatzzaun umgelegt, die Aquila aus dem Flugplatzbereich an die gegenüber gelegene, öffentliche Tankstelle geschoben, mit einem Erdungskabel versehen und mit günstigem Super Plus betankt.

Wir stellen fest, dass man dort auf die fliegende Kundschaft eingestellt ist. Viel Verkehr haben wir an der Tankstelle ohnehin nicht zu befürchten. Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern und erinnern uns an Otto von Bismarck, dem das Zitat zugeschrieben wird, dass „Wenn die Welt untergeht, so ziehe ich nach Mecklenburg, denn dort geschieht alles 50 Jahre später.“ Im Turm bezahlen wir die moderate Landegebühr von 5€ und werden obendrein noch mit kostenlosem Kaffee und Mineralwasser versorgt. Wir haben zwar unser Ziel, den schwedischen Schärengarten vor Augen, nehmen uns aber vor, unbedingt mal in Anklam Urlaub zu machen. Vor der Überquerung der Ostsee unterziehen wir die D-EPSY einer gründlichen Vorflugkontrolle. Mit vollen Tanks und angelegten Schwimmwesten mit manueller Auslösung, starten wir um 11:46 zu unserem Flug nach Västervik (ESSW). Unser Flug führt uns über die Halbinsel Jasmund im Osten von Rügen zum Grenzüberflugpunkt BAKLI, wo wir in 5000 Fuß von Langen Information an Sweden Control übergeben werden und nach ca. 25 min Flugzeit über Wasser, die schwedische Küste in Sicht kommt. Über den inaktiven, ehemaligen Militärflugplatz Kristianstad fliegen wir immer weiter in nordöstlicher Richtung.

Ziehen in der südschwedischen Provinz Schonen zuerst noch landwirtschaftliche Nutzflächen unter uns hinweg, so ändert sich die Landschaft mit zunehmender Flugzeit nach Nordosten in die Provinz Småland, immer mehr zu einer vollständig bewaldeten Landschaft mit dazwischen liegenden, im Sonnenschein funkelnden Seen.

Der Flugplatz Västervik liegt dann auch inmitten eines Waldgebietes und ist umgeben von Seen. Der Platz ist unbesetzt, wer die Funktaste bei gerasteter Platzfrequenz vier Mal drückt, bekommt eine automatische ATIS Ansage, wer die Funktaste 20s lang gedrückt hält, der schaltet damit die Bahnbefeuerung ein. Diese werden wir mit Sicherheit heute nicht brauchen, denn bei unserer aktuellen Nördlichen Breite von 57°; 45,6‘ Nord ist Sunset heute um 22:05 lokal.

Wir setzen Blindmeldungen ab, überfliegen den Platz in 1000 Fuß, drehen danach in eine Standard Linksplatzrunde ein und landen auf der 15 nach einer Flugzeit von 02:51 um 14:37. Nach der Landung auf der 1200m langen Bahn rollen wir direkt zur Tankstelle. Gezahlt wird hier per Kreditkarte, die Rechnung kommt hinterher per eMail vom Flugplatz Manager Ralf Löfberg, der übrigens auch fließend Deutsch spricht. Landegebühr gibt es in Västervik, wie übrigens auch auf den meisten kleineren Plätzen Schwedens üblich, keine. Würde man das wollen, so könnte man einen Tankstopp in Västervik, von der Landung bis zum Start, sicherlich in 10-15min schaffen. So eilig haben wir es heute aber nicht. Nach dem Tanken schieben wir die Aquila erstmal von der Tankstelle weg und entdecken neben uns auf dem Vorfeld eine zweimotorige Shrike Commander.

Das ist genau der Flugzeugtyp, mit dem Bob Hoover in den USA seine berühmt gewordene „Energy Management Routine“, jahrzehntelang vor tausenden, insgesamt wahrscheinlich sogar Millionen Airshow Besuchern vorgeführt hat. Auf dem Weg zum Clubhaus, dass jeder Pilot nach Eingabe der Platzfrequenz am elektronischen Schloss selbst öffnen kann, treffen wir auch den Besitzer der Shrike Commander. Es ist Anders Öberg der zusammen mit seiner Frau die Firma Wermlandsflyg betreibt. Seine Firma, so erklärt uns Anders, verdient ihr Geld mit weltweiten Dienstleistungen im Bereich Luftbildfotografie, 3D Laser-Scanning, Bodenprospektion nach Rohstoffen, sowie Air to Air Luftaufnahmen. Sie ist auch Teil des schwedischen, nuklearen Notfallsystems, bei dem im Ernstfall seine Flugzeuge in kürzester Zeit zur Messung von radioaktivem Fallout ausgerüstet werden können. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und dem geplanten Beitritt Schwedens zur NATO, hat der letztgenannte Punkt leider wieder an Bedeutung gewonnen. Insgesamt betreibt er mit seiner Firma 4 Shrike Commander, 3 Turboprop- und diese eine Kolben-Commander vor der wir gerade stehen. Wobei er die Kolben Commander für das eindeutig bessere Flugzeug hält, da es ausgewogener zu fliegen sei. Aktuell ist die vor uns stehende Commander mit einem Magnetanomalie Detektor zur Bodenprospektion (oder zum Aufspüren von U-Booten in der Ostsee) ausgerüstet. Über dem Festland werden diese Prospektionsflüge in der Regel in 200 Fuß AGL durchgeführt. Spätestens jetzt verstehen wir auch, wieso dieses Flugzeug über ein Kabelkappsystem verfügt, wie man es von Hubschaubern kennt. Anders lässt uns im Cockpit Platz nehmen und erklärt uns den ganzen Flieger. Wir fachsimpeln noch eine ganze Weile und stellen so z.B. fest, dass wir über unterschiedliche Firmen, einmal am gleichen Flugzeugprogramm gearbeitet haben. Eigentlich wollen wir hier gar nicht mehr weg, aber wir haben heute noch ein Tagesziel das es zu erreichen gilt. Nach 2h Aufenthalt verabschieden wir uns von Anders und seinem Flieger und starten zum letzten Leg des Tages von Västervik nach Norrtälje/Roslagen (ESSN). Die Strecke führt uns direkt über den Stockholmer Schärengarten und östlich vorbei an Schwedens Hauptstadt Stockholm durch den dortigen Luftraum C.

Ein einziges mal bittet uns die Controllerin, aufgrund eines den Stockholmer Hauptstadtflughafen Stockholm/Bromma anfliegenden Airliners, den Luftraum Charlie zu verlassen und auf unter 1500 Fuß zu sinken. Ansonsten werden alle unsere Durchflug Anfragen sofort genehmigt. Nach knapp eineinhalb Stunden nähern wir uns unserem Ziel Norrtälje/Roslagen (ESSN). Wieder ist keiner am Funk, was uns aber nicht stört. Wir setzen Blindmeldungen ab, überfliegen den Platz, checken die Windrichtung und entscheiden uns für eine Landung auf der 07. Dabei passen wir auf, nicht in die, über der Stadt liegende Restricted Area einzufliegen. Wie wir später erfahren werden, existiert diese aufgrund Schwedens größter und modernster Justizvollzugsanstalt. Der Flugplatz Norrtälje hat eine 830m lange Bahn mit der Ausrichtung 07/25 und außer dem „Roslagens Flygklubb“, sind dort einige private Flugzeuge bis zur PC12, sowie ein Hubschrauberunternehmen beheimatet.

Nach der Landung stellen wir fest, dass der Flugplatz menschenleer ist, was in Schweden aber keine Besonderheit darstellt. Nach dem Abstellen erreiche ich Andreas Martinsson, einen der Vorstände des Vereins. Er sagt uns, wo wir die EPSY am besten abstellen und wie wir den eingezäunten Flugplatz am besten verlassen können, nämlich durch das große, weithin sichtbare Loch im Zaun. Wir laden aus, verzurren die EPSY und stecken dem Verein noch ein flüssiges Gastgeschenk in Form zweier Flaschen mit klarem Inhalt aus einer Aalener Brennerei in den Briefkasten. Der Mietwagenverleih hat schon geschlossen, daher bringt uns ein Taxi in unser gemietetes Ferienhaus am Ostseestrand nach Grisslehamn, nördlich von Norrtälje. Für einen kleinen Obulus bringt man uns dann auch den Mietwagen am nächsten Tag direkt an die Unterkunft.

Wir verbringen erholsame und sehr sonnige Tage an der Ostsee, bevor wir am 04.07. wieder den Heimweg antreten müssen. Wir nehmen auf dem Rückweg die gleiche Route wie beim Hinflug, lassen aber den Übernachtungsstopp in Dessau aus und fliegen von Anklam direkt zurück nach Hause, so dass für diesen Flugtag 8 Flugstunden im Flugbuch stehen.

Fazit:
Wer die fliegerische Freiheit sucht, der wird in Schweden fündig. Flugplatz Schließzeiten wie wir sie aus Deutschland kennen, sind in Schweden unbekannt. Ebenso sind weder die Platzrunden vorgeschrieben, noch hat man eine Landegebühr zu entrichten. Dafür funktionieren Tankstellen 24/7 mit Kreditkarte und es läuft alles nach „eigenem Ermessen“ ab. Dafür gibt es auf den Webseiten der Betreiber der kleineren Plätze meist den Hinweis beim Anflug auf Wildtiere zu achten, die dann gegebenenfalls durch einen Überflug zur Inspektion des Bahnzustandes, zu verjagen sind.

 

Informationen:

Route: EDPA-EDAD-EDCA-BAKLI-ESMK-ESSW-ESSN
Tankstopp: Anklam (EDCA) & Västervik (ESSW)
Gesamtstrecke hin- und zurück: 1550NM
Flugzeit hin und zurück: 16h:06min
Durchschnittsgeschwindigkeit: 95kts
Navigation, Karten & Flugplanaufgabe: Skydemon-App
Papier Karten als Backup:
Rogers Data VFR Karte Schweden Süd 2023, Art. Nr.: 10349
Rogers Data VFR Karte Schweden Center-Süd 2023, Art. Nr.: 10348
Wetter: www.northavimet.com ↗ Low-Level Forecast (LLF) Sweden – Denmark – Finland
Mietwagen: Europcar Norrtälje
Unterkünfte und Ferienhäuser: https://www.stugknuten.com/de
Lande- und oder Anfluggebühren: Keine

Autor: Simon Merz